Eine zierliche Frau schuf ein starkes Fundament

Gräfin Emilie von Görlitz legte den Grundstein für die Balserische Stiftung

Frau der ersten Stunde: Stifterin Emilie von Görlitz (1801-1847) war eine im Spiegel ihrer Zeit und ihres gesellschaftlichen Ranges besonders fortschrittliche Persönlichkeit. Zeitgenössische Quellen beschreiben sie als „tüchtige Hausfrau, tüchtiger als es ihrem Dienstpersonal angenehm und ihren adeligen Standesgenossen angemessen schien“. Eine Dame von Adel also mit eigenen Vorstellungen, die auch selbst Hand anlegte und wohl weitgehend frei von Standesdünkel, dagegen aber mit einem edlen moralischen Kompass ausgestattet war.

Eindrucksvoller Beleg ihrer großen Menschenfreundlichkeit ist ihr Testament, das die Allgemeinheit umfänglich begünstigte: 1846 verfügte sie, dass ihr komplettes Kapitalvermögen in Gedenken an den Medizinpionier Georg Friedrich Wilhelm Balser in eine gleichnamige Stiftung zur Errichtung eines Krankenhauses in Gießen eingebracht wird.

Die Gräfin hatte klare Vorstellungen und spezifizierte den Verwendungszweck der Mittel: So sollte das Hospital den Namen „Balserische Stiftung“ führen und „zur Aufnahme solcher Unvermögender beiderlei Geschlechts, ohne Rücksicht auf ihren religiösen Glauben und ihr Vaterland, welche an Augenkrankheiten oder Krebs oder Knochenfraß leiden“ bestimmt sein. 1847 verstarb die charismatische Initiatorin der Balserischen Stiftung auf dramatische Weise – ihr Erbe aber lebt fort.

Tragödie im Palais

Der Mord an Gräfin Emilie im Jahre 1847 sorgte für Aufsehen im In- und Ausland. Unter großer öffentlicher Anteilnahme rätselten, stritten und diskutierten Rechts- und Wissenschaftsexperten über das, was in dem Darmstädter Grafenpalais geschehen war. Auf der Anklagebank saß ein Kammerdiener, bei dessen Familie man Schmucksachen von Emilie gefunden hatte. Nach dem Mord, so die Erklärung, schleppte der Beschuldigte den Leichnam des Opfers in den Kamin, überzog ihn mit Alkohol und zündete ihn an.
Im Rahmen des Prozesses galt es nun, den Vorgang zu belegen. Denn der Kammerdiener leugnete und behauptete vielmehr, die Gräfin habe reichlich Hochprozentiges zu sich genommen, weshalb sie sich förmlich selbst entflammt habe!

Als Gutachter vor Gericht wurden Größen der Zeit hinzugezogen, etwa der Chemiker Justus Liebig, der die Behauptungen des Angeklagten als unsinnig erkannte. Auch August Kekulé wurde gehört, der später als Entdecker des Benzolringes in die Wissenschaftsgeschichte einging.
Ergebnis der Verhandlung und des Medienspektakels anno 1850: Der Kammerdiener wanderte ins Gefängnis. Doch die Todesstrafe blieb ihm erspart, da es sich um einen Indizienprozess gehandelt hatte. Erst viele Jahre später soll er doch noch ein Geständnis abgelegt haben – auf seinem Sterbebett.

Georg Friedrich Wilhelm Balser und „der Student am Krankenbett“

Ein Vorreiter in Wissenschaft, Praxis und Lehre gibt den Namen

Im Jahr der testamentarischen Verfügung der Gräfin von Görlitz starb in Gießen ihr Arzt und Namensgeber der Stiftung: der renommierte Mediziner Georg Friedrich Wilhelm Balser (1780-1846). Vorwärtsgerichtete Denke und enorme Schaffenskraft ließen ihn zu einer wahren Lichtgestalt der Gesundheitsförderung seiner Zeit werden. Zunächst hatte er an den Universitäten in Gießen, Jena und Wien studiert, in Jena etwa bei Hufeland, Goethes Arzt, und beim Naturphilosophen Schelling. In Wien, der damaligen Hochburg der wissenschaftlichen Medizin, wurde die Wendung von der Philosophie zur Naturwissenschaft und vor allem zur ärztlichen und pflegerischen Praxis gelehrt. Hier ließ sich Balser speziell für die Augenheilkunde ausbilden. Promoviert hat er in Gießen im Jahr 1801, wo er von 1803 an als Professor wirkte und neben der Augenheilkunde auch Allgemeine Medizin und Chirurgie lehrte. Auch wurde er zum großherzoglich-hessischen geheimen Medizinalrat ernannt und setzte als leitender Amtsarzt gegen Widerstand die verpflichtende Pockenimpfung durch.

Balsers berufliches Lebenswerk so bedeutend macht auch und insbesondere sein Engagement zur Gründung und Führung von Heil- und Lehranstalten in Gießen. So betrieb er allen zeitgeschichtlichen Widerständen zum Trotz ein Privat-Ambulatorium im Alten Schloss – immerhin der einzige Platz in Gießen, an dem Medizinstudenten direkt mit Kranken zu tun hatten! Dazu setzte der umtriebige ärztliche Pionier auch den Bau der Entbindungsklinik durch und übernahm später die Leitung der ersten Universitätsklinik auf dem örtlichen Seltersberg. Nachdem diese in den Notzeiten sehr gelitten und zwischendurch sogar nur drei medizinische Studenten zu verzeichnen hatte, baute er die medizinische Fakultät wieder auf, etwa gemeinsam mit Johann Bernhard Wilbrand, Vorbild für Büchners Drama Woyzeck.

Das Wirken von Georg Friedrich Wilhelm Balser hallt bis heute nach. So spiegelt sich etwa das von ihm vorangetriebene Lehrprinzip „Student ans Krankenbett“ im aktuellen Stiftungszweck der Balserischen Stiftung wider. Denn neben Finanzmitteln für sozial schwache Studenten schreibt sie Stipendien für die klinischen Semester aus, um praktische Alltagstechniken am Patienten zu erlernen.

Eine Institution seit 1874 – das Balserische Krankenhaus*

*Nach Fusion im Jahr 2012 als Teil des St. Josefs Krankenhauses Balserische Stiftung

Balserische Stiftung

Nach Grundsteinlegung 1869 entstand bis 1874 Krankenhaus der Balserischen Stiftung in der Wilhelmstraße 14 am Seltersberg. Zum ersten Chefarzt des „Balserischen“, das mit gerade einmal sechs Betten an den Start ging, wurde ein Schwiegersohn des Namensgebers. Kein Zufall, denn im Testament der Gräfin wurde bestimmt, dass vorzugsweise Nachkommen Balsers die Leitung der Stiftung übernehmen sollten – ein Zeichen, das Erbe des fortschrittlich eingestellten Mediziners zu bewahren und der Auftrag an die folgenden Generationen, sich weiter an ihm ein Beispiel zu nehmen.
Es waren die ärztlichen und pflegerischen Fähigkeiten des Personals, das das Krankenhaus viele Jahre lang gut funktionieren ließen. 1895 etwa konnte man bereits auf 30 Betten aufstocken. Doch nach dem Ersten Weltkrieg verwaiste das Haus. Es begann zu zerfallen, da Gelder fehlten. Das Stiftungsvermögen schmolz in den Jahren von Inflation und Weltwirtschaftskrise dahin – die laufende Instandhaltung wurde unmöglich.

Dann übernahm der damalige Privatdozent der Inneren Medizin und spätere Professor Erwin Schliephake (1894-1995), ebenfalls ein Nachkomme Balsers, das Zepter. Er hatte eine physikalisch-medizinische Erfindung gemacht, die Ultra-Kurzwellentherapie, die schnell weltweit bekannt wurde und viele Patienten anzog. Ein Zimmer nach dem anderen wurde hergerichtet, um eine moderne Krankenanstalt für Innere Krankheiten zu schaffen. 50 Jahre lang, von 1933 bis 1940 und von 1952 bis zu seinem Tode 1995 mit über hundert Lebensjahren, wirkte Schliephake als Arzt und Ärztlicher Vorstand in der Balserischen Stiftung. Damit prägte er wie vielleicht kein anderer das Krankenhaus, das – wie jede Einrichtung – auch den geschichtlichen Entwicklungen während dieser vielen Jahrzehnte unterworfen war. Nur durch den enormen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Medizin, Labor, Verwaltung, Rechtsvertretung, Technik, Pflege- und Putzdienst gelang es, das Balserische am Leben zu erhalten – und schließlich von Erfolg zu Erfolg zu führen.

Nach unruhigen und entbehrungsreichen Zeiten, etwa während und nach dem Zweiten Weltkrieg, stand das Balserische ab den fünfziger Jahren wieder im Zeichen eines kontinuierlichen Ausbaus und Wachstums. 1978 erfolgte beispielsweise ein Umbau der damaligen Röntgenklinik und 1989 der Neubau des späteren Bettenhauses an der Friedrichstraße mit Keller- und Erdgeschoss und Einrichtung von Funktionsräumen. Die letzten größeren baulichen Maßnahmen des Balserischen umfassten 1999 die Sanierung und Aufstockung des Bettenhauses sowie die Einrichtung von zwei internistischen Stationen, bevor 2003 noch ein drittes Stockwerk und 2011 sogar ein viertes Obergeschoß hinzukamen – in diesem Fall für die neue Fachabteilung der Diabetologie. Sieben bzw. fünf Jahre zuvor schuf die Stiftung bereits ein Fortbildungszentrum und Mitarbeiterparkplätze nach Erwerb eines Grundstücks an der Frankfurter Straße und richtete zusätzliche Praxisräume in der Wilhelmstraße 12 ein.

Balserische Stiftung
Erwin Schliephake und Belegschaft 1955

Dann folgte ein zentraler Meilenstein: Wie einem organischen Prozess folgend, fügten sich 2012 das Balserische Stift und das gegenüberliegende St. Josefs Krankenhaus zu einem perfekt funktionierenden Ganzen zusammen – zum „St. Josefs Krankenhaus Balserische Stiftung gemeinnützige GmbH“. Gesellschafter wurden zu dreißig Prozent die Balserische Stiftung und zu siebzig Prozent die TGE – gTrägergesellschaft mbH für die Einrichtungen der Schwestern vom Göttlichen Erlöser (Niederbronner Schwestern) Provinz Deutschland mit Sitz in Neumarkt/Oberpfalz. Das Personal wurde einvernehmlich zusammengeführt, die Mitarbeitervertretung bzw. der Betriebsrat waren eng in die Beratungen einbezogen, und in Bereichen, in denen sich die Führungskompetenzen überschnitten, hatte man neue Strukturen aufgebaut und die Aufgaben nach Schwerpunkten verteilt. In den – nunmehr gemeinsamen – Folgejahren erweiterte sich das Haus um eine Notfallambulanz und eine Intensivstation, um nur zwei von vielen Beispielen des Ausbaus zu nennen. 2024 feierte das St. Josefs Krankenhaus Balserische Stiftung Jubiläum: Die Ursprüngshäuser Krankenhaus Balserische Stiftung und St. Josefs Krankenhaus wurden 150 bzw. 125 Jahre „jung“ – und es ist alles für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft bereitet.

Der Vorstand

Balserische Stiftung by Michael Birlenbach
Prof. Dr. med. Dr. h.c.Fritz LampertÄrztlicher Vorstand

Ehemaliger Ordinarius und Chefarzt der Universitätsklinik Gießen

Balserische Stiftung
RechtsanwaltMichael TunaAdimistrator und Geschäftsführer

Sozius in der Anwaltskanzlei ADOLPHS · VAN DEN BRINK · TUNA, Gießen

Balserische Stiftung by Michael Birlenbach
Uta SchliephakeVorsitz
Balserische Stiftung
RechtsanwaltSteffen BommersheimBeisitzer
Kanzlei für Steuerberatung in Gießen

Die Deszendenten der Balserischen Stiftung

  • Uta Schliephake (Vorsitz), Gießen
  • Hans Henning Balser, Gießen
  • Steffen Bommersheim, Gießen
  • Eva Kaminski, Dormagen
  • Dr. Konrad Schliephake, Würzburg